Sportwissenschafter Kristian Krause zum Thema „Fundiert, aber unkompliziert – Anforderungen an eine erfolgreiche Talentauswahl“ – (Vortrag von Antje Hoffmann beim Sportsymposium 2018)
Jeder von uns kennt diesen einen Sportler, der uns mit herausragenden Spitzenleistungen im Jugendalter aufgefallen ist, und der dann „irgendwo in der Versenkung“ verschwand.
Häufig „gehypt“ als Super-Talent können die Erwartungen in ihrer weiteren Entwicklung nicht mehr erfüllt werden. Dabei werden allzu oft unzureichende Kriterien zur Talentbeurteilung herangezogen. In der öffentlichen Wahrnehmung werden häufig die juvenilen Spitzenleistungen, sprich sehr gute Wettkampfleistungen im Kinder- und Jugendalter, als einzig relevanten Talentnachweise bewertet. Dies entspricht allerdings einer (veralteten) engen-statisch Talentdefinition. Vielmehr sollten die Bewertung der Leistungen entsprechend einer weiten-dynamischen Definition des Talentkriteriums erfolgen. Hierfür gilt es sowohl das
zu berücksichtigen.
Das aktuelle Leistungsniveau entspricht der bereits erwähnten engen-statischen Sichtweise des Talentbegriffs. Allerdings greift auch eine ausschließliche Bewertung der Wettkampfleistung für diesen Aspekt zu kurz. Wettkampfergebnisse hängen, je nach Sportart, auch entscheidend von Gegner, ggf. Mitspielern, äußeren Rahmenbedingungen und nicht zu vergessen, zu einem beachtlichen Teil vom Faktor „Glück“ ab. Dieser Sachverhalt findet in der Sportwissenschaft unter den Begriffen „nicht-linearität des sportlichen Erfolgs“ und „Chaos-Theorie“ (Fußball) Berücksichtigung. Daher ist es ratsam, das aktuelle Leistungsniveau auch über die Analyse der wettkampfrelevanten Faktoren wie z.B. konditionelle Fähigkeiten, Technik und Taktik einzuschätzen. Diese entsprechen den Leistungsvoraussetzungen.
Über eine kontinuierliche Erhebung dieser relevanten Faktoren kann das Tempo der Leistungsentwicklung berücksichtigt werden. Wer erzielt zu einem definierten Zeitraum die größten Leistungsschritte und wie sind diese zu erklären? Womit man unweigerlich zu einem zentralen Problem der Talentdiagnose und -förderung stößt: Die Diskrepanz zwischen biologischem Alter und dem kalendarischen Alter. Hier kommt es vor allem in der Phase der Pubertät zu erheblichen Unterschieden. Betrachtet man z.B. zwei 13-jährige Sportler, so können diese, von der biologischen Entwicklung, leicht 4 Jahre oder mehr auseinanderliegen. Die Wettkampfleistung, aber auch die Ausprägung der konditionellen Faktoren, steigt (ggf. mit Ausnahme der Beweglichkeit) mit der zunehmenden biologischen (aber auch psychischen) Entwicklung. Ausführungen zu dieser Problematik findet man unter den Stichworten „Alters-Bias“ oder „Relative Age Effect“.
Eine Verschärfung dieses Problems erfolgt durch die Talentselektion, die eben wieder auf Basis der aktuellen Wettkampfleistung erfolgt. Hierdurch werden die aktuell „Besseren“ noch mehr gefördert, was sich in Trainingsqualität und -umfang widerspiegelt. Der dadurch entstehende Teufelskreis ist kaum zu durchbrechen.
Das bisher absolvierte Training gilt es zudem bei einer Beurteilung der Leistung und Leistungsentwicklung (ganz egal ob Wettkampfleistung oder Leistungsvoraussetzungen) zu berücksichtigen. Die Utilisation bzw. Ausnutzung der vorhandenen Trainingsmöglichkeiten und der Umfang, sowie Spezifik des bisher absolvierten Trainings beeinflussen unmittelbar die Steigerungsfähigkeit eines Athleten. Möchte man jetzt wiederrum zwei Athleten miteinander vergleichen, die in etwa dieselbe aktuelle Leistungsfähigkeit aufweisen (Wettkampfleistung und Leistungsvoraussetzungen) so gilt sowohl deren Entwicklungstempo, aber auch das bisher absolvierte Training zu berücksichtigen. Hat Athlet A bereits mehrere Jahre hochspezifisch trainiert, Athlet B jedoch deutlich geringe Trainingserfahrung hinsichtlich Umfang und Spezifität, ist bei gleicher aktuellen Leistung Athlet B als größeres Talent zu sehen, da hier noch deutlich stärke Entwicklungsschübe zu erwarten sind.
Ein langfristig geplantes und systematisch aufgebautes Training stellt die Grundvoraussetzung für die Erreichung späterer Höchstleistungen dar. Je nach Sportart geht man von 10-12 Jahre systematischen Trainings aus, um auch tatsächlich Höchstleistungen erbringen zu können. Dies bedarf ein hohes Maß an psychophysischer Belastungsverträglichkeit. Besitzt der Athlet die Einstellung im Privatleben Einschränkungen in Kauf zu nehmen (Ausgehen am Wochenende etc.)? Kann er sich für ein fokussiertes Training über ein langen Zeitraum motivieren? Neben diesem psychischen Aspekt gilt es, die physische/körperliche Belastbarkeit kontinuierlich aber behutsam zu erhöhen. Diese äußert sich häufig in einer gewissen Verletzungsanfälligkeit. Zwar besitzt man eine gewisse genetische Voraussetzung hinsichtlich Belastbarkeit, jedoch kann diese systematisch beeinflusst und erhöht werden.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass eine Talentauswahl immer auf Basis der Analyse von Wettkampfleistung, Beurteilung der Leistungsvoraussetzung, deren Entwicklungstempo und unter Berücksichtigung des bisher absolvierten Trainings erfolgen sollte. Über einen langfristigen und systematischen Trainingsaufbau gilt es die physische Belastbarkeit zu erhöhen und durch die eingesetzten Trainingsmethoden und Trainingsvarianten den „Spaß am Sport zu behalten“ und somit ein Teil der psychischen Belastbarkeit zu beeinflussen.
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